DER REITER
Eigenständiges Denken und Verantwortungsbewusstsein - für ein verständnisvolles Miteinander von Pferd und Reiter auf Augenhöhe.
oder
Die Psychologie im Dienste der Ausbildung von Reiter und Pferd.
Kurt Albrecht
Der denkende Reiter
Mechanismen unserer heutigen Haltung dem Pferd gegenüber sind aus einem wenig umfassenden Denken entstanden. Wirkung und Ursache werden in einem kleinen Zeitfenster betrachtet und im Bedarfsfall im ebenfalls engen Radius analysiert. Demgegenüber steht das komplexe Denken und Planen in weiteren Zeiträumen. Lange vor dem Einsatz der reiterlichen Hilfen, dem Verständigungsmittel zwischen Pferd und Reiter, steht eine andere, viel subtilere, aber auch bedeutendere Kommunikation. Das Wesen des Pferdes trifft auf das Wesen des Reiters. Manchmal ist nicht klar, wer wen ausgesucht hat, immer aber steht das Pferd in einer Beziehung zu seinem Besitzer, die keinen zufälligen Charakter hat. Um zu reflektieren und aufzuzeigen.
Ein Pferd kann uns Lehrmeister sein, weit über den Umgang mit ihm hinaus. Es prägt unseren Charakter, es prägt unsere menschliche Stärke und den Erhalt von Werten, die in Vergessenheit zu geraten drohen. Es liegt nun am Reiter, durch Rückbesinnung auf tradiertes Wissen und das Erlernen der Sprache des faszinierenden Wesens Pferd, die Beziehung zu diesem von dem Ballast der derzeitigen Entwicklung zu befreien.
Dafür muss er bei sich selbst beginnen.
Grom xx mit Frau Gertrud Knopfhart in der Piaffe
Buchcover Grundlagen des Dressurreitens
von Alfred Knopfhart
Ausschnitt aus einem Gemälde von Klaus Philipp
Feines Reiten basiert auf vielen Elementen. Zwei davon sind gravierend:
Bewegung ist Energie. Und ohne die geht beim Reiten nichts. Alle Bewegungen sind Formen der Energie und qualitativ vom Maß ihres Einsatzes abhängig. Mit Energie umzugehen, das ist die Aufgabe eines guten Reiters. Energie erzeugt den positiven Spannungsbogen, ohne den keine qualitätsvolle Bewegung zu erzielen ist.
Die energetische Kraft des Pferdes annehmen und fördern zu wollen, anstatt sie zu unterbinden, ist essentiell für feines Reiten. Kontrollfixierung des Reiters zeigt sich besonders deutlich, wenn er keine Energie zulassen will. Das Pferd wird dann als chillig bezeichnet, im Grunde ist es aber nur abgestumpft. Desensibilisierte Pferde sind das Endprodukt andauernder fehlerhafter Kommunikation.
Die Entwicklung des Reiters wird entscheidend beeinflusst davon, wie er affin er sich zur Leichtigkeit verhält und wie er diese versteht. Leichtigkeit ist niemals Sorglosigkeit, aber Zuversicht und unbeschwerte Gelassenheit. Die braucht eine bewusste Haltung des Reiters, in der er gelassen abwarten, loslassen und zulassen kann - und den Dingen die Zeit geben, die sie brauchen, um sich zu entwickeln.
Leichtigkeit ist mit perfektionistischem Streben nach einer äußeren Form nicht zu erreichen. Sie entsteht durch diverse Komponenten einer inneren Haltung, Eine gestärkte mentale Basis beim Reiter lässt irgendwann eine gewisse Mühelosigkeit sichtbar werden, die allen ästhetischen Bewegungen eigen ist. Angestrengt sieht niemals gut aus, nicht beim Reiten, nicht beim Tanzen und selbst beim Singen ist es zu hören, wenn es angestrengt ist.
Die Kunst besteht eben darin, den Betrachter nicht wissen zu lassen, wie viel jahrelange (mentale) Arbeit, Disziplin, Motivation und Lernbereitschaft hinter einer anspruchsvollen Bewegung stehen, die leicht und mühelos aussieht. Und das ist umso schwerer, wenn es in Interaktion zweier Lebewesen, in diesem Fall Mensch und Pferd, zu absolvieren ist.
Wahre Ruhe und Gelassenheit eines Pferdes, die dem Feuer, das es, essenziell wie die Kraft, für die Dressur benötigt, in keinster Weise widerspricht, resultiert einzig und allein aus einem Vertrauensverhältnis. Das muss sich der Reiter erarbeiten.
Wenn ein Pferd lernt, dass es sich in jeder! Situation auf seinen Reiter verlassen kann, wird es Selbstsicherheit und Mut entwickeln. Eigenschaften, die für die Verbindung zwischen Pferd und Reiter und für jede ästhetische Dressurarbeit unerlässlich sind.
Ulrich Raulff
Orientierungen visueller und manueller Art haben die Blickrichtung vom Werte- und Grundlagensystem abgelenkt. Vom Umgang bis zur Ausbildung vollzieht sich eine bedenkliche Entwicklung. Das Pferd wurde in ein Terrain gedrängt, in dem es von der Natur nicht vorgesehen war. Diese Verwendungsform des Pferdes kennt wenige Prinzipien. Der Leitgedanke für den Umgang mit dem Pferd, seine Würde zu bewahren und nicht den eigenen Interessen zu opfern, scheint sich zu verflüchtigen. Die an das Pferd gestellten Anforderungen kann es nicht erfüllen und reagiert mit unterschiedlichsten Verhaltensanomalien. Das Pferd, als Sportgerät oder Kuscheltier - überfordert oder krank gestreichelt; beides stellt eine enorme gesundheitliche und seelische Belastung dar. Es entstehen Stress und dauerhafte Verspannungen, die jede Dressurarbeit parodieren und zum Absurdum werden lassen.
Zwischen der Intention von Pferd und Reiter klafft zuweilen ein gewaltiger Graben, dessen Überwindung von Zwängen und Gewaltsamkeiten geprägt ist, weil das Wesen des Pferdes der Zielsetzung des Reiters vehement widerspricht. Dabei entfernt sich der Mensch immer mehr von diesem hochsensiblen Lebewesen. Je nachdem, wie lange der Kampf dauert, denn ein solcher ist es, ist das Endergebnis ein gebrochenes Pferd. Ein Pferd, das nicht die Verständigung mit dem Menschen aufnehmen durfte und unter Ausblendung seiner Bedürfnisse in seinen Wesensstrukturen missachtet, dieses Pferd soll sich in Dressurlektionen mit Grazie und Anmut in tänzerischer Leichtigkeit bewegen. Damit sind wir in eine absurde Spirale geraten, die nur im Desaster oder der Parodie enden kann.
Die Entwicklung zeichnet sich ab, bleibt aber unbeachtet. Dies ist wohl als eine der Hauptursachen der gesamten Misere anzusehen. Was einst an Möglichkeiten im Sattel erstrebt wurde, war auf dem Weg des Erlernens der Reitkunst möglich. Mit der heutigen Einstellung zum Pferd und zum Reiten wird der Mensch sich von diesem Ideal immer mehr abwenden und irgendwann wird es nur noch Erinnerung sein: Das Pferd in seiner ganzen Schönheit. Willig, nicht willenlos, einem Menschen verbunden und aus Gründen und Triebfedern, die in Vergessenheit geraten werden, ebenso freiwillig die ganze Facette seiner atemberaubenden Bewegungen in den Dienst des Menschen stellend. Das Pferd ist nicht Untertan, es ist Kamerad des Menschen. Es ist ein Gefährte und ein loyaler und verlässlicher Partner.